Bedürfnisse

Je nach Sichtweise, wissenschaftlicher Disziplin und wissenschaftlicher Schule wird der Begriff des „Bedürfnisses“ sehr unterschiedlich konzeptualisiert. Betrachtet man den Begriff aus emotionstheoretischer und präsenztheoretischer Sicht (siehe Präsenz), so lassen sich in guter Übereinstimmung mit der Allgemeinen Psychologie zwei Grundarten von Bedürfnissen unterscheiden:

  1. „Zeitstabile Dispositionen“ sind in der Persönlichkeit eines Individuums verankert und betreffen zu einem kleinen Teil Charaktereigenschaften, zu einem größeren Teil Temperamentseigenschaften. So hat ein Individuum mit einem ausgeprägten „Harm Avoidance“-Temperament andere Grundbedürfnisse (Bedürfnisse nach Sicherheit und Schutz, Bedürfnis nach wenig Änderung und nach Bewahren) als ein Individuum mit „Novelty Seeking“-Temperament (Bedürfnisse nach „Kicks“, nach Abenteuer, nach Risiko etc.). Hier unterscheidet sich auch das grundlegende Bedürfnis nach Präsenzerleben, das für den „Novelty Seeker“ attraktiver erscheint als für den „Harm Avoidance“-Menschen. 
  2. Unspezifische Erregungszustände, die je nach Individuum ein durch äußere Umgebungsbedingungen getriggertes „Verlangen“ hervorbringt.

Emotionslogisch können Bedürfnisse wiederum als „intentionale Spannungsbögen“ verstanden werden, welche in ihrer Intensität abhängig sind vom Ausmaß der Intention (Hunger im allgemeinsten Sinne, siehe Wolf, K. & Machleidt, W. (1993). Der Spiralprozess der fünf Grundgefühle als Autopoiese des psychischen Systems. Zeitschrift für systemische Therapie, 11(2), 72-84). Der intentionale Spannungsbogen als gerichtetes Bedürfnis (gefolgt von einem allgemeinen Erregungszustand und gerichtet je nach Temperament) spannt sich vom Grundgefühl des Hungers (Intention, Lust, Wille…) über die emotionslogische Reihe von Angst, Aggression/Schmerz und Trauer hin zur Freude als intentionalem Ziel des Bedürfnisses.